Hallo liebe Cyber-Jahnfans!
Ich hab jetzt auch rüber gemacht
Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt zu Wort melde. Als offensichtlicher Auslöser der ganzen (nicht lebensbedrohenden) Ereignisse möchte ich aber schon noch meinen Senf abgeben dazu, hab ja in den letzten Jahren auch viel des selbigen gegessen. Ich werde hier nicht auf einzelne Sätze (bis auf einen) eingehen, viele haben hier schon sehr viel Richtiges geschrieben. Aber hier meine zwei Zeilen zu den letzten Tagen.
Seit ich mit sechs Jahren meine Fußballschuhe für den Jahn geschnürt habe in den 1990ern bin ich Jahnfan. 2001 war ich mit einer der ersten, die das neue Medium des Internets nutze, um sich online über Grenzen und Entfernungen hinweg mit Jahnfans auszutauschen, ein Forums-Ultra der ersten Stunde sozusagen. Es gab Phasen, da war ich sehr aktiv, dann wieder welche, in denen ich mich zurückhielt. Über 2200 Beiträge bei jahnfans.de (welches es erst seit 2003 gibt) sprechen glaub ich aber für sich. Ich kann mich an Diskussionen erinnern, als wir 2003/2004 in der 2. Liga kickten. Da gab es Faschos im Stadion, die vorher nicht wahrnehmbar waren an der Prüfeninger Straße. Mit dem Aufstieg dieses Jahr kamen plötzlich einige User ins Forum, die mich von Anfang an mit ihren Inhalten stark reizten. Da aber generell das Klima wenig angenehm war, weil ständig gemeckert, geschimpft und gepöbelt wurde, zog ich es lange vor, nur die fußballrelevanten Threads zu lesen und ich habe sehr konsequent Beiträge bestimmter User und bestimmten Inhalts einfach überlesen, damit ich mich nicht aufregen musste.
In den letzten Wochen war für mich aber das Fass voll. Oberkante Unterlippe. Sowohl gesamtgesellschaftlich als ich im Forum. Als politisch engagierter Mensch habe ich mir Gedanken gemacht, ob ich in einem Bereich meines Lebens, der einen Teil meiner Identität ausmacht, solche Provokationen ertrage und unbeantwortet lasse, was ich in anderen Bereichen sofort ansprechen würde. Der Jahn ist, bis auf die Profiabteilung, ein Sportverein der Region. Er sollte für ALLE Menschen, die dort leben und einen Bezug dazu haben, offen sein. Für Männer wie für Frauen, für Gesunde und für nicht-Gesunde, für Einheimische und Zugereiste. Das ist, was uns als Gesellschaft stark macht, die Unterschiedlichkeit. Der Mensch hat sich nicht durchgesetzt, weil er das stärkste Wesen auf diesem Planeten ist, sondern weil er das anpassungsfähigste ist.
Ich hab mich ehrlicherweise gefreut, als der Thread mit Evi Reiter aufgemacht wurde, weil damit ausnahmsweise auch mal eine von vielen Frauen, die diesen Verein mit am Leben halten und erhalten haben, einen Platz in der Öffentlichkeit bekommen hat. Wenn dann ein Kommentar kommt, der Unverständnis ausdrückt darüber, warum jetzt über sie geschrieben wird, sie hätte doch eh nur die Stange gehalten, dann tut's mir leid. Sowas werde ich nicht mehr länger akzeptieren. Wenn wir mit unseren Schwestern, Müttern, Freundinnen und Partnerinnen ein schönes Leben haben wollen, dann habe ich meiner Meinung nach als einzelner (Mann) die Pflicht, Angriffen gegen sie, und seien sie noch so lapidar, entgegen zu treten. Ich habe im 21. Jahrhundert absolut kein Verständnis dafür, dass Männer sich so verhalten. Ähnliches gilt für Menschen anderer Herkunft, sei es geografisch oder kulturell.
Es war auch nicht das erste Mal, dass Kritik geübt wurde. Ich hatte mich für die ironische Variante entschieden, weil ich den Usern und der Forumsgemeinde zeigen wollte, wie wenig witzig es ist, wenn andere Witze über einen in der Öffentlichkeit machen und das nur, weil man nicht des gleichen Geschlechts ist. Was dann passiert ist, spricht glaube ich für sich.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei euch für eure Solidarität bedanken! Ich habe mich mit meiner Kritik sehr weit aus dem Fenster gelehnt und wusste nicht, wie die Reaktionen sein werden. Dass es aber so viele Menschen gibt, die sich offenbar nicht den Mund verbieten lassen, die gegen Ungerechtigkeit aufstehen (auch wenn es nur ein Fußballfanforum in den großen Weiten des world wide web ist), die sich auch explizit dafür eingesetzt haben, dass ich entsperrt werden, das hat mich wahnsinnig gefreut. Ihr seid Spitze und es hat mir meinen Verein nochmal sympathischer gemacht. Ich möchte mich, wie andere auch schon, für die Aufnahme hier bedanken. Ich werde sicherlich keine Beiträge mir im anderen Forum verfassen und hoffe, dass hier der Ort ist, an dem man sich auch kritisch mit unser aller Leidenschaft, dem Fußball auseinander setzen kann. Wie kann Sport nicht politisch sein? Warum sollen wir, wo wir wöchentlich zu tausenden zusammen kommen im Stadion, dort nicht über unsere Probleme reden dürfen? Die 90 Minuten Auszeit pro Woche sind auch mir wichtig, aber sie lassen mich als Arbeitenden nicht vergessen, dass ich eine beschissene Rente haben werde, dass sich die Bedingungen für nicht-besitzende Tag für Tag verschlechtern und dass es mir als weißem Deutschen noch vergleichsweise gut geht dabei.
An dieser Stelle möchte ich aber ungern stehen bleiben. Es hat sich offenbar gezeigt, dass es notwendig ist, zusammen zu halten gegen solche Entwicklungen in der Gesellschaft. Irgendwann wird sowas auch die HJT erreichen und dann möchte ich nicht alleine stehen müssen. So wie das Sein das Bewusstsein bestimmt, ist das virtuelle ICH ein Ausdruck des realen ICHs. Ich möchte daher an dieser Stelle wie auch schon anderen Forumsmitgliedern das vorgeschlagen haben, vorschlagen, das virtuelle auch zu materialisieren: wäre es möglich per Abstimmung einen Termin zu finden, an dem wir uns vor einem der kommenden Heimspiele treffen? Des weiteren fände ich es spannend, diese Thematik auch beim Turmfunk aufzugreifen. Also den Forums-Eklat, besonders, weil ein aktives Turmfunk-Mitglied betroffen ist.
Einige Sachen, die ich sagen wollte, habe ich bestimmt vergessen. Aber das kann ja nachgetragen werden. Ich freue mich auf jeden Fall auf die zahlreich folgenden Diskussionen, sei es Fußball, Wetter oder Politik. Mit jahnsinnig solidarischen Grüßen aus München,
Iarwain
P.S. Tut mir leid für all den Trubel, ich hatte keine Spaltung der Forumsgemeinde beabsichtigt, sondern eine Diskussion und eine Auseinandersetzung mit den von mir polemisierten Themen. Im "Evi"-Thread auch im Sinne der Person, um die es ging, Evi Reiter. Wenn ich sowas über mich in einem durchaus aktiven Forum lesen würde, ich würde mich nicht freuen über sowas.