KLP hat geschrieben: ↑Mo 29. Nov 2021, 16:41
Iarwain hat geschrieben: ↑Mo 29. Nov 2021, 15:03
KLP hat geschrieben: ↑Mo 29. Nov 2021, 14:05
Das Problem ist doch, diese Sachen sind im Grundrauschen des Gesundheitssystems schon einkalkuliert. Ob da mla 5 Leute mehr oder weniger nen Schlaganfall bekommen, ist den Intensivstationen egal.
Gerade sind wir in einer Situation, die unkalkulierbar wird.
Deshalb sind diese Vergleiche maximal dumm und einfach nur Strohmänner, um sich einzureden "das gabs früher auch schon, regt euch mal nicht über Corona so auf". Hilft uns aber 0,0 um diese Krise zu bewältigen.
Also jetzt muss ich das nochmal schreiben [...]
Das steht doch außer Frage, dass unser Gesundheitssystem auf maximalen Profit getrimmt ist und damit sehr viele Probleme einhergehen.
Aber jetzt in diesem Moment Leute sterben zu lassen und mit dem Finger auf das System zu zeigen, obwohl es relativ einfache Lösungen dafür gibt, viele viele Tote zu verhindern, ist einfach ideologisch und sozialdarwinistisch.
Wir werden das System nicht bis März ändern. Jetzt müssen wir in den Krisenmodus und wenns neoliberal ist, sorry. Den Preis zahl ich dann, um Menschenleben zu retten.
Und selbst wenn wir keine Gewinnorientierung mehr im Gesundheitswesen zulassen, ist das ja nicht die Lösung aller Probleme. Dann hat man nur 6-30% mehr finanziellen Spielraum. Trotzdem wäre es dann gesamtgesellschaftlich dumm, wenn man keine Gesundheitsvorsorge mehr trifft, weil man ja jetzt genug Intensivbetten oder ein gutes Gesundheitssystem hat. Irgendwann kann die Gesellschaft die Kosten, die nicht nur monetär sind, nicht mehr auffangen.
Und ja Alkoholismus, Rauchen, Zucker, Verkehrstote sind auch ein volkswirtschaftliches Problem, aber halt ein kalkulierbares, weil es keine Extremausschläge gibt. Darauf wollte ich hinaus, tut mir leid, wenn das nicht so rübergekommen ist.
Ein System ausfallsicher zu machen ist nun einmal extrem teuer. Wenn du 6.000 Intensivbetten vorhalten musst für nicht vorhersagbare Krisen, wirst auch du irgendwann sagen, dass das völlige Steuerverschwendung ist, wenn die in 99,999999% der Fälle gar nicht gebraucht werden. Dass wir aber in der Krise 4.000 Betten personalbedingt abbauen mussten und die medizinischen Angestellten für 5% Lohnerhöhung auch noch kämpfen müssen ist natürlich eine Frechheit sondersgleichen. Ja, das sollten wir dem neoliberalen Apparat eigentlich täglich unter die Nase reiben, da hast du recht. Ist aber kein Grund sich schützend vor Impfunwillige zu stellen.
Und ich bin in der Politik, um Interessen des Gemeinwohls zu vertreten. Und es ist nicht im Sinne des Gemeinwohls, wenn sich tausende Menschen unnötig Krankheiten einfangen. Egal, wie gut das Gesundheitssystem ist.
KLP, entweder verstehst du mich absichtlich falsch oder ich kommuniziere zu schlecht. Ich wage den nächsten Versuch.
Du kennst als politikaffiner Mensch sicherlich die Kampagnen von ver.di und den Angestellten in den Krankenhäusern. Dort wird schon seit Jahren gesagt, dass ein "weiter so" nicht funktioniert. Dort sagen die Kolleg*innen schon lange, dass kleine Pflaster nicht mehr helfen, sondern dass eine Not-OP am Krankenhaussystem vorgenommen werden muss. Während von den Klinikleitungen, den Krankenhauskonzernen und von Teilen der Politik gesagt wird, Streiks würden mehr Menschen gefährden, sagen tausende Pfleger*innen, dass ein Streik notwendig ist, um grundlegend etwas an der Situation zu verändern. Aber Menschen, die deiner Argumentationslogik folgen, sagen den Kolleg*innen in den Krankenhäusern immer wieder: also jetzt ist grad ganz schlecht, es geht grad nicht anders. Es wird immer weiter vertröstet. Was ist das Ergebnis? Einst kommunale Krankenhäuser werden privatisiert, private Krankenhäuser nehmen nur noch diejenigen Fälle an, die ihnen satte Fallpauschalen bringen, das führt zur Überlastung in den kommunalen Kliniken, Personal kündigt oder wird gekündigt etc. Die Berliner Krankhausbewegung gibt es nicht erst seit Corona. Es gab die Probleme schon Jahre vor Corona und Corona hat die Situation nur noch offensichtlicher gemacht. Einige der Notfallbetten wurden sogar innerhalb der letzten zwei Jahre gestrichen!!
"Wir werden das System nicht bis März ändern." Mit dieser Einstellung sicherlich nicht, da gebe ich dir Recht. Wenn du wirklich was verändern willst, solltest du in deiner Partei dafür werben, die Streiks in den Krankenhäusern zu unterstützen, anstatt in den Regierungschor einzustimmen. Ja, das Thema der Gesundheitsversorgung sollte jeden Tag von der Opposition und von denjenigen, die sich für das Parlament berufen fühlen, auf die Tagesordnung gesetzt werden. Es gibt kein Allgemeinwohl. Das spielt eine Harmonie vor, die es in unserer Gesellschaft nur deshalb gibt, weil diejenigen, die keine Macht haben, ihre Klappe halten bzw. nicht wissen, wie sie ihre Interessen formulieren und durchsetzen.
Nun zum Vorwurf des Sozialdarwinismus. Das ist ein billiger Angriff und ich weiß nicht, wo du diese Form der Diskussion kennengelernt hast, irgendwelche Begriffe in die Arena zu werfen, die mächtig klingen, mit denen die meisten nichts anfangen können und dann aufhören, zu diskutieren. Ganz zu schweigen davon, ob du selbst verstehst, was Sozialdarwinismus bedeutet. Deine Logik steht auf dem Kopf, lass sie mich mal eben auf die Beine stellen: es hat nichts mit Sozialdarwinismus zu tun, wenn ich fordere, dass die Krankenhäuser unter Kontrolle der Arbeiter*innen verstaatlicht werden sollen. Im Gegenteil, das nicht zu tun und den Status Quo zu erhalten, für den Status Quo zu werben, die Neoliberalisierung des Krankenhaussystems zu relativieren, bedeutet, die Gesundheit weiter zu privatisieren und letzten Endes nur noch diejenigen zu versorgen, die es sich leisten können. Das ist Sozialdarwinismus.
Ich habe im Übrigen nirgends gesagt, dass man Leute sterben lassen soll. Das ist eher deine und Hilles Herangehensweise. Ihr wollt, dass die Ungeimpften nicht mehr versorgt werden und so schlimmstenfalls sterben sollen. Ich hingegen argumentiere: Krankenhäuser verstaatlichen, mehr Betten, mehr Personal, Fallpauschalen abschaffen. Der Profit der Krisengewinnler reicht lange aus, um das zu finanzieren! Auch hier KLP, steht deine Logik auf dem Kopf. Du vertrittst die Linie der Regierung der Herrschenden, das ist ideologisch! Dein Angriff, meine Argumentation sei "ideologisch" ist eine reine Nebelkerze, um von den Löchern in der Defensive deiner Argumentation abzulenken. Du zahlst den Preis gern, ja? Wieviel würdest du denn gerne zahlen? Noch mehr Steuern? Wieviel kannst du denn dazu beitragen? 1000 €? 10000 €?
Dann zur generellen Frage der Profitorientierung im Gesundheitssystem. Richtig, auch unter nicht-kapitalistischen Verhältnissen muss man abwägen, wann wie viele Betten notwendig sind. Der Unterschied: wenn mehr Betten und Personal notwendig ist, muss man nicht erst darauf schauen, ob man dann in die roten Zahlen kommt. Man richtet sich nach den Bedürfnissen, nicht nach dem Profit. Es kann anders geplant werden und die Gesundheit hängt nicht davon ab, ob ein prozentual kleiner Anteil der Menschheit durch die Akkumulation der Produktionsmittel den Rest der Menschheit in Geiselhaft nehmen kann.
Und zu deinen weiteren Ausführungen: Populismus kann ich auch!
Schau, zeig ich dir auch. Was hältst du davon: Ich hätte lieber 6000 Intensivbetten zu viel, als dass ich eine handvoll Eurofighter rumstehen habe!
Und nochmals: ich stelle mich nicht schützend vor Impfunwillige. Im Gegenteil, du stellst dich schützend vor die Privatisierung der Krankenhäuser, indem du bei der Problemanalyse einfach nur auf die Impfunwilligen zeigst ohne die Bedingungen zu erkennen und anzuprangern, die zu so viel fehlendem Vertrauen in das Gesundheitssystem geführt haben. Das ist ine meinen Augen eines studierten Menschen unwürdig und wenig wissenschaftlich! Ich stelle mich mit meinen Forderung an die Seite der Angestellten in den Krankenhäusern und fordere mehr Kapazitäten in den Krankenhäusern. Das hilft mehr, als einfach populistisch die Schuld nach unten, anstatt nach oben zu lenken. Und noch was. Ich habe hier im Forum schon mehrmals geschrieben, dass die materielle Grundlage für einen großen Teil der Coronaleugner*innen und Impfgegner*innen in der Unzufriedenheit der klein- und mittelständischen Betrieben zu suchen ist, die - marxistisch vollkommen logisch - in der Krise ökonomisch gegenüber den globalen Kartellen richtig viel Einbußen zu verzeichnen hatten oder gar aufgekauft wurden. Während die großen Konzerne weiterhin ihre Betriebstore offen hatten, haben die kleinen Betriebe alle dicht machen müssen.
Im Sinne des Allgemeinwohls ist es wohl eher nicht, dass mit der Gesundheit Profit gemacht werden soll. Aber, das hast du ja schon formuliert, ist dir ganz Recht, wenn es halt sein muss.