Sportclubplatz, 29. September 2017
Wiener Sport-Club gegen First Vienna FC 1894 1:1
"Dörby of Love"
Entgegen meiner Ankündigung habe ich das schöne Herbstwetter dieses Wochenende für einen Camping- und Wandertrip mit meiner Tochter ausgenutzt und war nicht beim Kleinen Wiener Derby, trotzdem bietet das Spiel einen Anlass, ein bisschen was über die "zweite Garde" der Wiener Fußballvereine zu erzählen, die für viele Fans eigentlich wichtiger sind, als die beiden Vereine Rapid und Austria.
Das sogenannte "Dörby of Love" wird ausgespielt zwischen den traditionsreichen Vereinen Wiener Sport-Club und der First Vienna von 1894. Beide Vereine haben eine wirklich interessante Geschichte, ihre bemerkenswerten Eigenheiten und Besonderheiten und sind gerade heute ein gutes Beispiel für den Einfluss von Parteipolitik im Sport einerseits und den Schattenseiten von Investment und Sponsoring andererseits. Zusätzlich illustrieren beide die Probleme des Fußballs in Österreich.
Ich fange mal mit dem Sportclub an, weil ich die Atmosphäre bei den Spielen dort großartig finde und der Verein meine erste Berührung mit Fußball in Österreich war. Vor mehr als zehn Jahren hatte ich meine erste Wohnung in Wien in Dornbach, wo der Verein beheimatet ist. Seine große Zeit hatte der Verein in den 50ern, als er unter anderem Juventus Turin mit 7:0 aus dem Europapokal schmiss. 2001 musste der Verein Insolvenz anmelden und die Fußballsektion spaltete sich ab um als Wiener Sport-Klub in der Regionalliga-Ost anzutreten (der dritthöchsten Spielklasse in Österreich). Erst im Sommer diesen Jahres geland die sogenannte "Rückführung". Ab heuer tritt der Verein wieder als Wiener Sport-Club an. Die letzten Jahre waren geprägt von den Befindlichkeiten der Führung des Gesamtvereines und der neuen Fußballsektion (die als eigener Konkurrenzverein geführt wurde). Viele haben schon nicht mehr als eine Rückführung geglaubt.
Der WSC hat einige Besonderheiten. Zum einen ist das das älteste noch bespielbare Fußballstadion in Österreich, der Sportclubplatz, und hier die berühmte Stehplatztribüne, die sogenannte "Friedhofstribüne", weil hinter ihr der Dornbacher Friedhof aufragt. Über das Stadion möchte ich ein anderes Mal mehr schreiben. Die zweite Besonderheit sind die Fans. Der Verein hat mit einem Schnitt von 1.300 Zuschauern mehr Zuschauer als die meisten Bundesligisten. Außerdem sind die "FreundInnen der Friedhofstribüne" ein toleranter, gewaltfreier und antirassistischer Fanclub und auch die anderen Fans unterstützen diese Einstellung offensiv. (
http://www.friedhofstribuene.at/). Es gibt hier keine aktive Fanszene im Sinne von "Ultras", sondern es herrscht eine eher "Englische" Fußballstimmung. Das Alleinstellungsmerkmal hierbei ist das "Einklingeln" der Ecken und Freistöße. Hierbei werden bei eigenen Ecken und Freistößen mit den Schlüsselbünden geklingelt. Bei 1.700 Besuchern auf der Friedhofstribüne hört sich das entsprechend geil an.
Der Club hat leider das Problem ständiger Geldnot. Vor zwei Jahren hatte man nicht einmal einen Trikotsponsor, weswegen man in Trikots mit "Refugees Welcome" Logo auflief. Ich fand das zwar sehr cool, aber das macht das österreichische Problem deutlich, dass sogar Erstligavereine Schwierigkeiten haben, Trikotsponsoren oder Bandenwerbung zu bekommen. Wenn du als Verein nicht entweder einer der "Großen Vier" bist oder deinen Namen verkaufst, hast du kaum Chancen auf Sponsoren.
Die First Vienna hatte ihre große Zeit in den 1930er Jahren und wurde mehrmals Österreichischer Meister (und einmal Deutscher Vizemeister in den 40ern...). Mittlerweile spielen sie ebenfalls in der RLO und hätten die letzten beiden Jahre beide Male aufsteigen können. Vorletztes Jahr wurde darauf verzichtet, da man sich die Erste Liga und damit den Profifußball finanziell nicht leisten konnte. Um das zu ändern, wurde ein Investor gefunden, der das Jahr darauf allerdings Pleite ging, ausstieg und den Verein in den finanziellen Ruin zwang. Die First Vienna musste Insolvenz anmelden und konnte, trotz des ersten Tabellenplatzes, wieder nicht aufsteigen. Höchstwahrscheinlich wird hier auch bald der Zwangsabstieg in bis in die 2. Klasse folgen, die niedrigste Spielklasse. Das wird gerade von den Gerichten besprochen. Man muss sich vorstellen, dass ein Verein der RLO mit Durchschnittlich 2.000 Zuschauern es sich finanziell nicht leiten kann, zweite Liga zu spielen. Wahnsinn!
Auch die First Vienna hat die zwei Besonderheiten Fans und Stadion. Die Fans sind in mehreren Fanclubs organisiert, auch hier überwiegt eine antirassistische und freundschaftlich tolerante "britische" Fankultur. Die Fans haben Freundschaften mit denen des WSC und von Blau-Weiß Linz. Beeindruckend ist das Stadion auf der Hohen Warte. Das Stadion ist eine Natur-Arena, mit einem festen Tribünenbau auf der einen Seite und in den Rasen bzw. Boden eingelassenen Terrassierungen als Sitz- und Stehplätze auf der gegenüberliegenden Seite (ab und an auch mit fest installieren Tribünenteilen).
Beide Vereine sind Unikate in der Österrichischen Fußballandschaft und es ist schade, dass solche Vereine, auch wenn sie viele Zuschauer haben, eine eher untergeordnete Rolle spielen. Die Fankultur dort ist auf jeden Fall atemberaubend und jedes Mal wieder ein Erlebnis. Ich kann nur jedem Wien-Besucher mit Fußball-Affinität raten, eine der Mannschaften einmal spielen zu sehen.